Fakuma – Halle B5, Stand 5412
Ein Konsortium von Industrieexperten hat sich unter dem Namen „avidens“ zusammengeschlossen, um Unternehmen bei den Herausforderungen der Integration von PCR-Rezyklaten zu unterstützen. Bei Qualitätsproblemen im Material und Prozess bietet die Gruppe eine Vielzahl von Dienstleistungen an, darunter die Abmusterung mittels hochmoderner Spritzgussanlagen und Werkzeuge mit Sensorik zur Materialanalyse. Darüber hinaus fungiert „avidens“ als zentraler Ansprechpartner entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Kunststoffverarbeitung.
Der Europäische Green Deal leitet eine umfassende Umstrukturierung des industriellen Sektors ein, mit dem strategischen Ziel, die Europäische Union bis 2050 in einen klimaneutralen und ressourceneffizienten Wirtschaftsstandort zu verwandeln. Der Schwerpunkt dieser Transformation liegt auf der Implementierung eines geschlossenen Kreislaufsystems, das Recycling, Wiederverwendung und Abfallvermeidung priorisiert. Für Unternehmen im Bereich der Kunststoffverarbeitung bedeutet dies eine grundlegende Neuausrichtung ihrer Geschäftspraktiken, beginnend bei umweltfreundlicheren Herstellungsverfahren, der Gestaltung von Produkten mit Fokus auf deren Recyclingfähigkeit bis hin zur verstärkten Einbindung von recycelten Werkstoffen.
Der Green Deal bringt eine strengere Regulierung der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSR-Richtlinie) und konkrete Vorgaben zur Kreislaufwirtschaft in verschiedenen Industriezweigen mit sich. Ein konkretes Beispiel ist die Automobilbranche, die mit den bevorstehenden Vorschriften für Alt-Fahrzeuge konfrontiert wird. Es wird verlangt, dass mindestens 25% des in Neufahrzeugen verwendeten Kunststoffs aus recycelten Quellen stammen müssen, wovon wiederum 25% aus „closed-loop“ Materialien bestehen sollen.
Die Implementierung von Konzepten der Kreislaufwirtschaft wird im Kunststoffsektor signifikante Auswirkungen haben und sowohl Herausforderungen als auch Möglichkeiten generieren. Angesichts des zunehmenden Bedarfs an recycelten Kunststoffen und der begrenzten Verfügbarkeit hochwertiger Rohstoffe müssen die Verarbeiter ihre Prozesse anpassen, um alternative Materialströme zu integrieren und gleichzeitig die Endproduktqualität zu gewährleisten. Dies erfordert die Fähigkeit, Materialien mit variierender Qualität zu verarbeiten, die aufgrund der Verfügbarkeit recycelter Rohstoffe möglicherweise notwendig ist.
Herausforderungen im Fertigungsprozess für Kunststoffverarbeiter
Die Umsetzung der Nachhaltigkeitsrichtlinien der Europäischen Union stellt für Unternehmen eine Vielzahl von technischen Herausforderungen dar. Es ist erforderlich, eine detaillierte Analyse durchzuführen und die Produktionsprozesse entsprechend anzupassen, um den neuen gesetzlichen Bestimmungen zu entsprechen. Dies erfordert eine präzise Planung und Umsetzung von effizienten Maßnahmen zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks und zur Steigerung der Ressourceneffizienz.
Die vermehrte Anwendung von rezyklierten Materialien stellt zweifellos einen signifikanten Schritt in Richtung Nachhaltigkeit dar. Jedoch bringt die Integration dieser Materialien in die Produktionsprozesse der Kunststoffindustrie bedeutende Herausforderungen mit sich. Die heterogene Beschaffenheit von rezyklierten Materialien, insbesondere im Hinblick auf die zunehmende Verwendung von Post-Consumer-Rezyklaten (PCR), führt oft zu Unsicherheiten bezüglich der Endqualität der hergestellten Bauteile. Materialdefekte und inkonsistente Qualitätsniveaus von Charge zu Charge, Sack zu Sack oder sogar innerhalb einer Tankfüllung können im Vergleich zu Neuware zu erheblichen Abweichungen im Spritzgussprozess führen. Ein konkretes Beispiel hierfür ist die Molekülkettenlängenverteilung eines Kunststoffs, die maßgeblich von der Historie und den Verarbeitungsparametern des Materials abhängt und direkten Einfluss auf die Fließeigenschaften hat. Diese Modifikationen haben das Potenzial, ineffiziente Abläufe mit gesteigerten Ausschussquoten und Herausforderungen bei der Realisierung der angestrebten Bauteilqualität hervorzurufen. Infolgedessen ist es von essenzieller Bedeutung, diese Gesichtspunkte in der Prozesssteuerung zu berücksichtigen.
Die Detektion von Abweichungen im Formgebungsprozess mit recycelten Materialien stellt eine erhöhte Herausforderung dar, da die Überwachungspunkte hauptsächlich auf die Phasen der Materialvorbereitung, Zuführung und nachträglichen Qualitätskontrolle (QA) fokussiert sind. Das Fehlen von Echtzeit-Feedback und Materialüberwachung im Werkzeug sowie während des Kavitätsfüllvorgangs erschwert die unmittelbare Identifizierung und Behebung von Problemen.
Es sind vielversprechende Ansätze erkennbar, jedoch fehlt es noch an einer ganzheitlichen Lösung für die Verarbeitungsprozesse
Bis dato waren die Kapazitäten zur Materialanalyse begrenzt. Lieferanten von Materialien setzen bereits intensiv auf die Optimierung der Qualität von recycelten Materialien mittels präziser Sortier- und Reinigungsprozesse. Trotz vielversprechender Resultate dieses Vorgehens wird es angesichts des steigenden Bedarfs an recycelten Materialien und alternativen Feedstocks eine Herausforderung darstellen, eine konstant hohe Bauteilqualität ohne zusätzliche Maßnahmen zu gewährleisten.
Die Produzenten von Maschinen sind aktiv beteiligt und arbeiten an der Entwicklung von Technologien zur Optimierung der Verarbeitung von recycelten Materialien. Der Schwerpunkt liegt auf der Anpassung des Schussgewichts und des Maschinendrucks, um eine gleichmäßige Dosierung in das Werkzeug zu gewährleisten. Die Überwachung und Kontrolle werden jedoch deutlich komplexer, sobald das Material die Formkavität erreicht. Innendrucksensoren bieten gewisse Einblicke, ihre Wirksamkeit ist jedoch auf die frühen Phasen des Formprozesses beschränkt. Nachdem die erste Kunststoffschicht erstarrt und die sogenannte Frozen Skin entsteht, werden sie weniger empfindlich oder „blind“ und können nicht tiefer in das Bauteil eindringen.
Die dielektrische Analyse stellt eine vielversprechende Lösung dar, um die bestehende Technologielücke zu schließen
Die dielektrische Analyse (DEA) repräsentiert eine fortschrittliche Messtechnik, die es gestattet, Materialien anhand ihrer elektrischen Eigenschaften akkurat zu analysieren. Hierbei wird die Beweglichkeit der Molekülketten innerhalb eines Werkstoffs als Reaktion auf ein angelegtes Wechselstromfeld erfasst. Durch die Integration von DEA-Sensoren direkt in die Werkzeugausstattung können Echtzeitdaten über die Materialeigenschaften während des Formgebungsprozesses geliefert werden. Diese fortlaufende In-situ-Überwachung des Polymermaterials im Inneren des Bauteils eröffnet die Möglichkeit, mittels DEA-Technologie diverse Herausforderungen im Umgang mit recycelten Materialien zu bewältigen. Insbesondere können Abweichungen im Erstarrungs- und Kristallisationsverhalten aufgrund von Materialschädigungen und -zusammensetzungen präzise identifiziert werden. Die Detektion und Analyse von Abweichungen erfolgt durch den Einsatz hochspezialisierter Software-Algorithmen, die die Bereiche Materialwissenschaft und Maschinenparameter miteinander verbinden.
Das sensXPERT Digital Mold System der NETZSCH Process Intelligence GmbH präsentiert eine hochentwickelte Lösung, die Sensordaten, Maschinenparameter, Materialwissenschaft und Machine Learning vereint, um die Kunststoff-Produktionsprozesse kontinuierlich zu überwachen und zu steuern. Zu den Schlüsselfunktionen zählen die Echtzeit-Erkennung von Abweichungen und die dynamische Anpassung des Prozesses. Diese Fähigkeiten gewährleisten eine sofortige Erkennung von Materialverhalten-Abweichungen und ermöglichen eine entsprechende Gegensteuerung, um eine konstante Bauteilqualität zu gewährleisten. sensXPERT fungiert als zentrale Steuereinheit, die Druck-, Temperatur- und Dielektrik-Sensordaten, Maschinenparameter und Materialwissenschaft zusammenführt und dem Kunden als Co-Pilot zur Seite steht.
Für Produzenten von Kunststoffwaren repräsentiert die Technologie einen bedeutenden Fortschritt, um die Produktivität zu erhöhen. Durch die Reduzierung von Fehlern und Ausschussquoten wird eine konstante Bauteilqualität gewährleistet. Des Weiteren ermöglicht sie eine umfassende Datenverfügbarkeit, die die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen sicherstellt. Auf diese Weise können recycelte Materialien effizient verarbeitet werden.
Die Fachleute, die das Konsortium „avidens“ bilden
Mit dem Fokus auf die Bereitstellung eines umfassenden Überblicks über technologische Lösungen und die Zusammenführung von Industrieerfahrungen entlang der Wertschöpfungskette von Kunststoffen haben sich die folgenden Unternehmen zur Gründung von „avidens“ zusammengeschlossen:
Die Firma „sensXPERT“ ist ein führender Experte auf dem Gebiet der Materialwissenschaft, Sensorik und künstlichen Intelligenz in der Kunststoffindustrie. „Schwarz Plastics Solutions“ sind Spezialisten für Kunststofftechnik und Verarbeitung. „NETZSCH Analyzing & Testing“ gilt als Marktführer im Bereich der Materialanalyse. Zudem ist „Precupa“ ein renommierter Hersteller von Präzisionsformen.
Des Weiteren haben sich der Werkstofflieferant „Meraxis“, als Schwesterunternehmen des Kunststoffverarbeiters Rehau, und der Anbieter für Digitalisierungslösungen von Labordaten „LabV“ der Kooperation angeschlossen. Durch die gezielte Kombination von Werkstoffwissenschaft, Maschinendaten, Verarbeitungswissen und Prozessparametern, die gemeinsam als Datensätze verarbeitet werden, können durch diesen Zusammenschluss praxisorientierte Lösungen für die Industrie angeboten werden – sei es als Dienstleistung im Technikum, als Ausrüstung oder als schlüsselfertige Lösung.