Im Rahmen der VDMA Interviewreihe way2K sprechen Michael Boerner und Simon Stadtmueller von Herrmann Ultraschalltechnik über die Rolle der Ultraschalltechnologie bei der Herstellung moderner Medizinprodukte. Im Fokus stehen vor allem sogenannte Medical Wearables – tragbare Sensorgeräte wie CGM-Systeme für Diabetes-Patient:innen. Die Technologie ersetzt herkömmliche Klebstoffe durch schweißbare Verbindungen und schützt gleichzeitig sensible Elektronikkomponenten vor Umwelteinflüssen.

Die Gesprächspartner zeigen auf, wie die Ultraschalltechnologie nicht nur eine höhere Hautverträglichkeit ermöglicht, sondern auch die Herstellung nachhaltiger und energieeffizienter gestaltet. Prozessdaten aus jeder Verbindungsschweißung erhöhen zudem die Rückverfolgbarkeit – ein zentraler Faktor für die Zulassung medizinischer Produkte. Das Interview verdeutlicht: Ultraschall ist ein Schlüsselverfahren für eine sichere, digitale und ressourcenschonende Medizintechnik der Zukunft.
Gibt es neue Produktanwendungen für das Verfahren des Ultraschallschweißens
Michael Boerner: Die Ultraschallfügetechnologie wird bereits seit vielen Jahren in Medizinprodukten eingesetzt, etwa in Infusionssets oder in Diagnostik-Tests. Neuerdings sehen wir einen starken Markttrend im Bereich der Medical Wearable Devices. Vor allem bei den so genannten CGM`s, also den Continuous Glucose Monitoring Devices. Das sind kontinuierliche Glukosemess-Sensoren für Diabetes-Patienten.
Welche Vorteile bietet hier die Ultraschallfügetechnologie?
Simon Stadtmueller: Sie schützt die Sensorelektronik vor Umwelteinflüssen. Die Patienten tragen die Sensoren für 14 Tage mittels eines Klebe-Patchs auf der Haut. Sie können damit schwimmen, duschen und auch Sport treiben. Das Kunststoffgehäuse muss daher hermetisch dicht verschweißt und mit einem Klebeband fixiert werden. Komponenten können ebenfalls durch Ultraschall genietet und verbunden werden. So können hochfeste und gleichzeitig flexible Verbindung mittels Ultraschall hergestellt werden. Ein weiterer Vorteil ist die bessere Verträglichkeit auf der Haut. Vielfach werden Klebstoffe verwendet, die Substanzen wie IBOA oder MBPA enthalten, Hautallergene, auf die viele Menschen reagieren. Dieses Problem entfällt bei Ultraschall. Diese Technologie ist also sicher und nutzerfreundlich. Und sie erhöht die Lebensqualität, denn die Messung über einen Blutstropfen, für den man sich pieksen muss, entfällt.
Wie groß ist der Markt, wie schnell wächst er?
Boerner: Etwa 540 Millionen erwachsene Menschen weltweit leben mit Diabetes. Fast 7 Millionen Menschen sterben jährlich an den Folgen dieser Krankheit. Die Zahl der Patienten wird für das Jahr 2045 auf 780 Millionen geschätzt. Es geht also steil nach oben. Entsprechend wachsen derzeit viele Hersteller von Diabetes-Technologie-Produkten. Raten von mehr als zehn Prozent sind keine Seltenheit. Dieses Wachstum verläuft aber nicht überall auf der Welt gleich. In vielen Regionen sind die neuen Produkte aus Kostengründen für die Patienten nicht verfügbar. Wir wollen mit unserer Ultraschalltechnologie zu einer sicheren und effizienten Fertigungstechnologie beitragen, um die Produkte für mehr Menschen zugängig zu machen.
Sind noch weitere Anwendungen für Ultraschall in den so genannten Wearables in der Pipeline?
Boerner: Ultraschallverbindungen sind auch in Insulinpumpen und anderen Drug Delivery Devices zu finden. Hier gibt es sehr ähnliche Herausforderungen für die Hersteller. Zusätzlich gibt es hier weitere Anwendungen für Ultraschall, insbesondere die Bauteile, die in direkten Kontakt mit Insulin oder Medikamenten kommen. Das Verbinden von Kunststoffen mit Membranen oder Silikondichtungen ist sehr gefragt. Dies geschieht prozesssicher, mit nachvollziehbaren Prozessdaten. Auch hier besteht eine hohe Sicherheit für den Patienten, denn auch hier kommt kein Klebstoff mit sensiblen Wirkstoffen in Verbindung mit der Haut. Neben dem Diabetes-Technologie-Markt sehen wir ähnliche Anwendungen auch für Temperatur-Sensoren und für ECG-Sensoren, die man für ein EKG zur Messung der Herzfunktion braucht. Diese werden den Medizinmarkt revolutionieren.
Bietet die Ultraschallfügetechnik auch einen Beitrag zur Nachhaltigkeit?
Stadtmueller: Der Ultraschallfügeprozess benötigt grundsätzlich sehr wenig Energie und keine weiteren Fügematerialien. Bei thermischen Fügeverfahren muss dagegen dauerhaft Wärme am Werkzeug anliegen. Auch ist bereits für die Produktion von Klebstoffen ein großer Energieaufwand notwendig. Es ist sehr wichtig für Hersteller und Designer, die Optionen der Fügetechnik zu kennen, denn hier wird eine wichtige Entscheidung zur Nachhaltigkeit getroffen.
Boerner: Energie steht weltweit an jedem Ort zur Verfügung und es bedarf keiner weiteren Logistik für Verbrauchsmaterialien. Ultraschalltechnologie reduziert dadurch den CO2-Fußabdruck der Produkte. Die Kunststoffe ohne Zusatzstoffe können zum Teil sortenrein recycelt werden. Selbstverständlich können auch Rezyklate oder Bio-Kunststoffe mit Ultraschall verbunden werden. Hierzu hat Herrmann Ultraschall schon viele Studien mit Kunststoffherstellern durchgeführt.
Welche Rolle spielen die Automatisierung und die Digitalisierung heute?
Stadtmueller: Unsere Kunden nutzen fast ausschließlich automatisierte Fertigungsprozesse. Dabei spielen Reproduzierbarkeit, Qualitäts- und Prozessdaten eine immer wichtigere Rolle. Gerade in der Medizintechnik sind Prozesse validiert und von entscheidender Bedeutung für die Zulassung von Produkten nach den Regularien der EU oder der US-amerikanischen FDA. Diese Zulassungen setzen sehr strenge Rahmenbedingungen für die Hersteller. Unsere Prozessdaten für jede einzelne Schweißung werden von unseren Kunden für die Prozessüberwachung, aber auch für die Rückverfolgbarkeit genutzt. Sie ermöglichen eine lückenlose Dokumentation.
Das Motto der nächsten K lautet „The Power of Plastics“. Worin liegt aus Ihrer Sicht die Macht dieses Werkstoffs?
Boerner: Kunststoff ist ein Werkstoff mit sehr vielen großartigen Eigenschaften. Die Macht von Kunststoffen in der Medizintechnik, zum Beispiel, liegt in ihrer Fähigkeit, Innovationen zu ermöglichen und gleichzeitig die Bedürfnisse von Patienten und Fachkräften zu erfüllen. Kunststoffe sind hier nicht nur eine kostengünstige, sondern auch eine lebensrettende Ressource. Es liegt an uns, diesen Werkstoff sinnvoll und ressourcenschonend einzusetzen. Da sind wir auf einem sehr guten Weg. Rezyklate und Biokunststoffe halten schon in vielen Bereichen Einzug. Gepaart mit intelligenten Fügeverfahren sollten wir die Vorteile nutzen und die herausragenden Technologien weiterentwickeln.