Das Fraunhofer IAP und die POLIFILM EXTRUSION GmbH haben eine Polybutylensuccinat (PBS) Folie für Versandtaschen entwickelt. Dies ist der erste Erfolg des Projekt RUBIO, in dem 18 Partner die Vision einer nachhaltigen Kunststoffwirtschaft Realität werden lassen. Das Ziel: Aus regional verfügbaren pflanzlichen Reststoffen entstehen vielseitig einsetzbare nachhaltige Produkte, die recyclingfähig und biologisch abbaubar sind.
Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP entwickelt im Rahmen des Projekts neuartige Typen des Biokunststoffs Polybutylensuccinat (PBS), damit er für deutlich mehr Anwendungen eingesetzt werden kann.
Warum ersetzen Biokunststoffe nicht erdölbasierte Kunststoffe?
Biokunststoffe stellen zunehmend eine Alternative zu erdölbasierten Kunststoffen dar. Diese nachhaltigen Materialien werden auf Basis nachwachsender Rohstoffe hergestellt. Sie tragen dazu bei, die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen und CO2-Emissionen in die Umwelt zu reduzieren. Biokunststoffe können biologisch abbaubar sein und verfügen über Verarbeitungseigenschaften, die mit denen klassischer erdölbasierter Kunststoffe vergleichbar sind. Wie klassische Kunststoffe können auch Biokunststoffe sortiert, fraktioniert und recycelt werden.
Trotz des hohen Potenzials gibt es eine Reihe von Faktoren, die Firmen davon abhalten, ihre Produkte aus Biokunststoffen herzustellen. Weltweit gibt es nur wenige Hersteller, die Biokunststoffe auf dem Markt anbieten. Für Kunststoffverarbeiter verursacht das Probleme bei der Versorgungssicherheit, höhere Kosten sowie eine zu geringe Auswahl an verschiedenen Typen von Biokunststoffen, um die Vielzahl möglicher Anwendungen zu realisieren. Außerdem gibt es technischen Verbesserungsbedarf und oft ist nicht klar, für welche spezifischen Anwendungen sich Biokunststoffe eignen. Schließlich werden Biokunststoffe aktuell häufig aus Zuckerrohr und Mais hergestellt – also potenziellen Nahrungs- oder Futtermitteln, was eine „Tank-oder-Teller“-Diskussion aufbringen könnte.
Neue PBS-Typen ermöglichen vielfältigere Einsatzbereiche
Der Entwicklungsbedarf in diesem Bereich ist also groß. Experten vom Fraunhofer IAP gehen diese Hürden gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie an.
Je nach Anwendung bzw. Verarbeitungsverfahren muss der eingesetzte Kunststoff hart oder weich, vielleicht auch zähfließend oder dünnflüssig sein. Bisher gibt es auf dem Markt aber nur drei PBS-Typen, und diese eignen sich lediglich für eine eingeschränkte Zahl an Verarbeitungsverfahren und Anwendungen.
Dipl.-Ing. Thomas Büsse, Koordinator des Verbundprojekt „Verarbeitung“ bei RUBIO und Leiter des Verarbeitungstechnikum Biopolymere Schwarzheide in Brandenburg des Fraunhofer IAP
Daher entwickelt das Team der Abteilung „Polymersynthese“ von Dr. Antje Lieske am Fraunhofer IAP ganz neue Typen von PBS. Die Verarbeitung mit einer deutlich breiteren Palette an Verfahren ist möglich – vom Blasformen bis zum Spritzgießen. Somit vergrößert das Forschungsteam auch das Portfolio an möglichen Anwendungen.
Das Know-how der Polymerspezialisten am Fraunhofer IAP geht dabei deutlich über die reine Entwicklung von Syntheseverfahren für neue Biokunststofftypen hinaus. Im Synthesetechnikum des Fraunhofer-Pilotanlagenzentrums für Polymersynthese und –verarbeitung PAZ in Schkopau, Sachsen-Anhalt, überführt das Team um Dr. Ulrich Wendler, Leiter der Abteilung „Synthese und Produktentwicklung“ am Fraunhofer IAP, die Ergebnisse aus Labor und Technikum in den industrienahen Pilotmaßstab. Im Verarbeitungstechnikum wird intensiv untersucht, wie die neu entwickelten Kunststofftypen und -mischungen thermoplastisch verarbeitet werden können. Hier werden auch die Tests zur Bioabbaubarkeit, Bedruckbarkeit, Siegelfähigkeit oder Maschinengängigkeit durchgeführt. Diese Kriterien können die die Wissenschaftler auf Wunsch des Kunden individuell einstellen. Das RUBIO Konsortium testet auch die Recyclingfähigkeit.
Einen ersten Erfolg kann das Fraunhofer IAP im Rahmen des RUBIO-Projekts gemeinsam mit der Firma POLIFILM EXTRUSION GmbH verzeichnen. Das deutsche Unternehmen produziert am Standort Weißandt-Gölzau in Sachsen-Anhalt auf über 80 Extrusionsanlagen Kunststofffolien für unterschiedliche Anwendungen in der Verpackung-, der Bau-, Agrar- und Automobilbranche und anderen Bereichen. Die Partner haben eine PBS-Folie entwickelt, die für Versandtaschen eingesetzt werden kann.
„Diese Kooperation ist ein wichtiger Schritt in Richtung Nachhaltigkeit und ermöglicht uns, Produkte anzubieten, die aus regionalen Reststoffen hergestellt wurden, die recyclingfähig und bei Verlust in die Umwelt biologisch abbaubar sind. Ein weiterer Vorteil ist die Verarbeitung auf gängigen Extrusionsanlagen, wodurch dem Siegesweg der PBS-Materialien nichts mehr entgegen steht“, erklärt Tobias Otto, Projektmanager R&D bei der POLIFILM EXTRUSION GmbH.
Keine „Tank-oder-Teller“-Diskussion durch regionale pflanzliche Reststoffe
Die Entwicklung der neuen PBS-Folie geht noch weiter, denn bis jetzt basiert der Biokunststoff noch nicht auf regionalen Rohstoffen. Doch das wird sich im weiteren Verlauf der Kooperation ändern. Pflanzliche Reststoffe aus der Region werden künftig der Rohstoff sein. „Grundsätzlich können alle Materialien verwertet werden, die Cellulose oder Lignocellulose enthalten. Dazu zählen u.a. nicht verrottende Gärreste aus Biogasanlagen, in vielfältiger Form anfallende Reste aus landwirtschaftlichen Betrieben oder theoretisch sogar Abfälle aus der Papierproduktion“, erklärt Thomas Büsse. Idealerweise hat die Verwendung regionaler Reststoffe langfristig einen weiteren Vorteil. Kürzere Transportwege können zu geringeren Preisen und zu mehr Nachhaltigkeit der produzierten Kunststoffprodukte führen.